Das kühnste politische Statement in Wonders Karriere ist gleichzeitig unglaublich funky.
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Mit diesem bislang kühnsten politischen Statement seiner Karriere nahm Stevie Wonder Drogenabhängigkeit, infrastrukturellen Rassismus, charismatisches Blendertum und oberflächliche Christ:innen unter die Lupe – gleichzeitig war „Innervisions“ aber auch unglaublich funky. Wonder spielte und produzierte so gut wie alles, und die musikalischen Höhepunkte waren die höchsten, die er je erreichen würde, auch wenn der Tonfall anklagender war denn je.
„Die Art und Weise, wie er es schaffte, deine Emotionen herauszukitzeln und an dir zu zerren – du musstest dich einfach auf seine Musik einlassen.“
„Living For the City“ ist eine fiebrige siebenminütige Soul-Operette über den gnadenlosen Tribut, den das städtische Leben der Schwarzen Arbeiterklasse in der Zeit nach der Black Power-Bewegung abverlangte. Das Album endet mit dem ruhigen Song „He’s Misstra Know-It-All“, der raffiniert genau die Charaktertypen benennt, die sich an eben jenen ausgegrenzten Menschen vergreifen, darunter, wie viele vermuteten, auch der bald zurücktretende Nixon. Erlösung findet sich in „Higher Ground“, das Wonders Glauben an die Reinkarnation mit seinem typischen Wah-Wah-Clavinet und Moog-Bass unterstreicht. „Innervisions“ ist eine Absage an den Hippie-Optimismus der späten 60er-Jahre und weist gleichzeitig einen Weg in unzählige mögliche spirituelle Zukunftsvisionen. Damit festigte Wonder seinen Ruf als inspiriertester Künstler und einzigartiges Phänomen der amerikanischen Popmusik der 1970er-Jahre.