Ein Soulklassiker, der beweist, dass politische Musik sowohl konfrontativ als auch sanft sein kann
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Als Marvin Gaye den Titelsong des 1971 erschienenen Albums „What’s Going On“ dem Motown-Gründer Berry Gordy vorlegte, soll Gordy gesagt haben, das sei das Schlimmste, was er je gehört habe. Die Musik war zu locker, der Text zu politisch. Aber selbst Elvis sang Protestsongs (1969 „In the Ghetto“) – warum nicht auch Marvin Gaye?
„Er hatte den Finger am Puls dessen, was in Amerika politisch geschah.“
Die Genialität dieses Albums liegt in seiner Leichtigkeit. Die Songs schweben und atmen, die Performances wirken natürlich, sogar beiläufig – der Saxofonpart von Eli Fontaine im Titeltrack wurde beispielsweise aufgenommen, als Fontaine dachte, er spiele sich noch warm. Während Sly & The Family Stone ihre Wut in bitteren Funk kanalisierten (1971 auf „There’s A Riot Goin’ On“), sublimierte Gaye seinen Zorn in üppigen Streicherarrangements und Latin Percussion – Signale nicht nur der Sanftheit, sondern auch der Raffinesse. Selbst im Angesicht der Trostlosigkeit schwebt er, wie er eindrucksvoll im Porträt einer Sucht in „Flyin’ High (In the Friendly Sky)“ oder „Inner City Blues (Make Me Wanna Holler)“ zeigte. Die Offenbarung war, dass politische Musik nicht zwangsläufig konfrontativ sein muss; sie kann auch warm und einladend sein.